Kommunikation beim Börsengang – Was kommt nach der Baisse?
Im ersten Halbjahr 2000 war die Welt der Investmentbanken, der Risikokapitalgeber und Start-up Unternehmen noch in Ordnung. Der Markt für Neuemissionen boomte. Allein von Januar bis Juli 2000 waren es im Segment Neuer Markt insgesamt 99 Börsengänge und damit durchschnittlich nahezu vier Emissionen pro Woche. Einige Investoren - sowohl institutionelle als auch private - kauften alles, was der Markt zu bieten hatte, ohne darauf zu achten, ob die Bewertung der Börsenaspiranten fundamental gerechtfertigt war oder nicht. Grundlegende Anlagekriterien wurden missachtet und die Kontrolle des Kapitalmarkts ad absurdum geführt.
Die Auswirkungen dieser Aktieneuphorie auf das Kommunikationsverhalten der Börsenkandidaten waren offensichtlich. Kaum eine Kampagne zum Börsengang setzte auf eine langfristig angelegte Informationspolitik. Die Kommunikation mit der Financial Community begann zwei bis drei Monate vor der Emission und beschränkte sich in der Post-IPO-Phase auf die Pflichtinstrumente wie Berichte und Adhoc-Mitteilungen. Eine Befragung der Universität Duisburg aus dem Jahr 2000 unter Neuer Markt-Unternehmen hat ergeben, dass das Kommunikationsbudget für den Börsengang zwischen ein und drei Prozent des Emissionserlöses lag. Bei einem durchschnittlichen Emissionsvolumen von 50 Millionen Euro, lagen die Ausgaben für den Dialog mit der Financial Community im Schnitt bei 1 Million Euro. Das ist - unter Berücksichtigung der Vielfalt an Instrumenten und der in vielen Fällen geringen Markenbekanntheit- ein geringer Anteil am Gesamtaufwand. Doch er reichte, um eine Emission mit in der Regel mehrfacher Überzeichnung durchzuführen.
Das dürfte sich in Zukunft ändern, denn das Vertrauen der Anleger in die Börsenkandidaten hat nach den drastischen Kursverlusten der letzten Monate enorm gelitten. Aber nicht nur die Budgets, auch Ziele, Inhalte, Maßnahmen und Timing der Marketingkampagne zum IPO müssen an die veränderten Rahmenbedingungen des Kapitalmarkts angepasst werden. Es ist Zeit für eine nachhaltige Kommunikation:
1. Ziele und Inhalte
- Unter den Zielen einer Emission rückt künftig die Gewinnung qualitativ hochwertiger und langfristig orientierter Investoren verstärkt in den Vordergrund. Das zu gewährleisten ist Aufgabe der Konsortialbanken, die ihre institutionellen Kunden kennen und in der Regel die Zuteilung übernehmen. Außerdem ist darauf zu achten, dass ein ausgewogenes, auf das Unternehmen abgestimmtes Verhältnis privater und institutioneller Investoren erreicht wird.
- Fondsmanager vertrauen fast nur noch auf Fakten. Ganz oben auf der Liste der Auswahlkriterien stehen die Equity Story, und hier insbesondere Gewinnwachstum und Strategie, sowie die Qualität des Managements. Diese Faktoren müssen bei der kommunikativen Positionierung des Unternehmens besonders berücksichtigt werden.
- Generell sollte bei den Inhalten der Kampagne darauf geachtet werden, weniger durch Emotionen und Layout der Anzeigen, als durch ehrliche, vertrauensvolle und sachliche Informationen Aufmerksamkeit bei potentiellen Investoren zu erzeugen.
2. Vorgehen
- Aufwendige Anzeigenkampagnen waren am Neuen Markt außer bei den Großemissionen mit einem Volumen von mehreren hundert Millionen Euro wie T-Online, Lycos oder Comdirect generell nicht die Regel. In der Boomphase kamen kleinere Emittenten mit kleinformatigen Anzeigen in den wichtigen Wirtschafts- und Finanzmedien einige Tage vor und während der Bookbuildingphase aus. Nach der Ernüchterung der letzten Monate kommt der ersten Kommunikationsphase, der Corporate- oder Image-Phase, eine deutlich höhere Bedeutung zu. Privatanleger haben sich zu mündigen Aktionären entwickelt, die seriöse und in ihrem Markt etablierte Unternehmen völlig unbekannten Kandidaten bei der Anlageentscheidung vorziehen. Deshalb ist es ratsam, eine offene und ehrliche Kommunikation zu führen, die in der Corporate Phase via Internet, Presseberichte und ersten Printanzeigen startet und „step by step" zunächst das Unternehmen, später die Aktie als Markenartikel in den unterschiedlichen Öffentlichkeiten etabliert.
- Die Zielgruppe Privatanleger wird, wie bei den IPOs des Jahres 2001 bereits deutlich erkennbar, zumindest mittelfristig etwas an Bedeutung verlieren. Der Windkraftwerk-Hersteller Nordex platzierte beim diesjährigen IPO 96 % seiner Anteile bei institutionellen Investoren, bei Sunways waren es 70 %. Durch das nachlassende Interesse der Privatanleger sinkt auch die Effektivität des Pull-Effektes, den private Investoren während der Zeichnungsphase auf institutionelle bewirken. Dies sollte im Marketingkonzept und bei der Verteilung des Budgets berücksichtigt werden.
- Bei der Zielgruppe der institutionellen Investoren dürften sich Börsenkandidaten auf erheblich anspruchsvollere Investitionskriterien gefasst machen. Schon allein die Börsenreife eines Unternehmens wird wohl in Zukunft anderen Maßstäben standhalten müssen, als das vor einem Jahr der Fall war. Börsengänge wie der eines Internet-Werbevermarkters, der nur 36 Tage nach dem IPO seine Prognosen nach unten korrigierte, haben einen wesentlichen Anteil an der schlechten Reputation des Neuen Marktes und dürften in Zukunft nicht mehr vorkommen.
- Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die kritische Auswertung des Pre-Marketings unter institutionellen Investoren und die Konsequenzen für den Zeitplan des IPOs. In diesem Jahr mussten mehr als ein Dutzend Neuemissionen mangels Nachfrage kurzfristig während der Bookbuilding-Phase abgesagt werden. Die mehrfache Herabsetzung des Ausgabepreises trug dabei nicht unbedingt zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Unternehmen bei.
3. Timing
- Das Timing der Kampagne richtet sich in erster Linie nach den Kriterien Bekanntheit des Unternehmens, Umfang der Emission und Höhe des Kommunikationsbudgets. Darüber hinaus sind natürlich das aktuelle Marktumfeld sowie Anzahl und Zeitpunkt weiterer geplanter IPOs zu berücksichtigen. Entscheidend ist, eine Dramaturgie aufzubauen. Die Corporate Phase sollte deshalb mindestens 6 bis 9 Monate vor dem Börsengang beginnen.
- Die Umfrage der Universität Duisburg hat ergeben, dass nur rund 18 % der Unternehmen am Neuen Markt bereits 6 Monate vor dem IPO eine Abteilung Investor Relations besaßen. Gleichzeitig gaben 60 % der Befragten an, den Aufwand für Finanzkommunikation im Vorfeld unterschätzt zu haben. Eine frühzeitige Einbindung eigener IR-Ressourcen in den Vorbereitungsprozeß und der Aufbau der IR-Strukturen im Unternehmen sind unabdingbar, um den Anforderungen des Kapitalmarkts in der Post-IPO-Phase gerecht zu werden.
4. Budget
- Das unglaubwürdige Kommunikationsverhalten vieler Unternehmen am Neuen Markt hat dazu geführt, dass die Informationsbedürfnisse der Anleger stetig steigen. Das bedeutet für Börsenkandidaten einen verstärkten Einsatz kommunikativer Maßnahmen und damit in der Regel auch höhere Budgets, um eine entsprechende und unabdingbare Differenzierung im Markt aufzubauen.