Anfang Mai warb Hertha BSC Berlin in nur 9 Minuten und 11 Sekunden 1,5 Mio. Euro über Crowdfunding ein. Auch der Bio-Safthersteller Voelkel nutzte bereits das Angebot von Crowdfunding-Plattformen. Damit liegen der Fußballbundesligist und das norddeutsche Traditionsunternehmen voll im Trend. Denn während zu Beginn meist Privatpersonen oder Startups die Crowd zur Geldbeschaffung genutzt haben, wenden sich mittlerweile vermehrt mittelständische Unternehmen diesem Bereich der Finanzierung zu.
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Köln, 18. Juli 2017 – Im Februar 2017 startete die Vergleichsplattform FinCompare, die speziell auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten für kleine und mittelständische Unternehmen ausgerichtet ist. Bereits wenige Wochen nach Plattform-Start konnte das Unternehmen rund 400 Kunden mit einem angefragten Finanzierungsvolumen von mehr als 200 Mio. Euro verzeichnen.
Insgesamt sind in Deutschland über 200 Plattformen aktiv. Sie agieren in den Bereichen spendenbasiertes und gegenleistungsbasiertes Crowdfunding, Crowdinvesting oder Crowdlending. Obwohl der Anteil am gesamten Finanzierungsmarkt noch verschwindend gering ist, sind die Zahl der durchgeführten Finanzierungen sowie die Volumina in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Ein Grund für das große Interesse könnte die verstärkte Berichterstattung der Medien über das Thema Crowdfunding und FinTechs sein. Aber auch der Wertewandel in der Gesellschaft und ein wachsendes Interesse an nachhaltigen und richtungsweisenden Investitionen sind wichtige Faktoren. Für Mittelständler kommen dabei vor allem Crowdlending und Crowdinvesting in Frage.
Mittels Crowdlending wird Fremdkapital von den Anlegern eingesammelt und einem Unternehmen für einen festgelegten Zeitraum – üblicherweise zwischen drei und fünf Jahren – zu einem festen Zinssatz zur Verfügung gestellt. Von Vorteil für viele Unternehmen ist dabei, dass in den meisten Fällen keine Sicherheit vom Kreditnehmer verlangt wird, wie es bei einem Bankkredit der Fall wäre. Im Jahr 2014 wurde der erste Unternehmenskredit auf diese Weise von Zencap vermittelt. Mittlerweile ist Auxmoney der größte Anbieter von Crowdlending in Deutschland. Im Jahr 2016 wurde in Deutschland ein Volumen von 76,7 Mio. Euro durch Crowdlending bereitgestellt.
Crowdinvesting hingegen eröffnet Unternehmen den Zugang zu eigenkapitalähnlichen Finanzmitteln. In Form von partiarischen, teils nachrangigen Darlehen werden Investoren aus der Crowd neben einer festen Basisverzinsung am Erfolg des finanzierten Unternehmens beteiligt. Die Laufzeiten liegen gewöhnlich zwischen fünf und sieben Jahren. Die Erfolgsbeteiligung besteht meist aus einem Bonuszins, der bei Erreichen eines Umsatzzieles, positiver Entwicklung einer Erfolgskennzahl oder einem Multiplikator der Unternehmenswertsteigerung gezahlt wird. In diesem Bereich wurden im Jahr 2016 58,8 Mio. Euro in Deutschland investiert.
Zusatznutzen neben der Kapitalbeschaffung
Neben der reinen Kapitalbeschaffung bieten Crowdfunding-Kampagnen auch diverse Zusatznutzen, die bei anderen Finanzierungsformen mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Generell ist damit ein Marketingeffekt durch die öffentliche Crowdfunding-Kampagne verbunden. Die Bekanntheit des Unternehmens und auch der Produkte und Dienstleistungen werden durch die Medienpräsenz gesteigert. Vom Geschäftsmodell überzeugte Investoren aus der Crowd können zu Multiplikatoren und Markenbotschaftern des finanzierten Unternehmens werden, indem sie in ihrem sozialen Umfeld über das Unternehmen berichten. Dies kann sowohl bei der Vermarktung der Finanzierung als auch im Vertrieb der Produkte und Dienstleistungen von Nutzen sein. Darüber hinaus schafft ein teils direkter Kontakt zu engagierten Crowd-Investoren die Möglichkeit, Anregungen aus der Crowd-Community in die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen einfließen zu lassen. Der Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne kann aber auch ein Indikator für das Marktpotenzial des Vorhabens sein, für welches das Geld gesammelt wird. Kommt die Finanzierung über eine Kampagne nicht zustande, sollte das Projekt kritisch hinterfragt werden.
Die Kosten für die Nutzung der Plattform liegen einmalig, je nach Betreiber, zwischen 0,25 % und 5 % des Finanzierungsbetrags. Es ist üblich, dass diese Vermittlungsgebühr erst anfällt, sobald die Finanzierung zustande gekommen ist. Manche Anbieter verlangen zusätzlich eine jährliche Verwaltungsgebühr.
Zinssätze zwischen 4 % und 10 %
Die Zinssätze richten sich wie üblich nach der Bonität des Emittenten und liegen beim Crowdlending zwischen 4 % und 10 % p.a. Die Crowdfunding-Plattform Kapilendo, über die sich Hertha BSC Berlin kürzlich mit Liquidität versorgte, hat beispielsweise mehrere Kriterien festgelegt, die das Risiko einer Investition eingrenzen und einschätzbar machen sollen: So muss ein Unternehmen mindestens drei Jahre am Markt sein, einen Mindestumsatz von 1 Mio. Euro, eine positive Eigenkapitalquote und ein positives Geschäftsergebnis vorweisen. In einem nächsten Schritt werden Jahresabschlüsse, BWAs, Bankenspiegel und von Auskunfteien ermittelte Ausfallraten und Bonitäten herangezogen. Auf dieser Basis werden dann die Konditionen für die Finanzierung festgelegt: Anlageklasse, Zinskupon, Gebührenstruktur und Tilgungsplan.
Darüber hinaus wirkt die Schwarmintelligenz, welche aufgrund der vielen potenziellen Investoren der Crowd zum Tragen kommt, risikomindernd. Immer mehr Plattformen nutzen zusätzlich Bewertungsschemata durch Ratingagenturen.
Professionelle Planung als Schlüssel zum Erfolg
Als nachteilig mögen mittelständische Unternehmen empfinden, dass sie ihre Vorhaben oder Projekte öffentlich machen müssen, um Kapital von der Crowd einzuwerben. Darüber hinaus kann sich der positive Marketingeffekt beim Scheitern einer Finanzierung ins Gegenteil umkehren. Daher benötigt eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne eine gute Vorbereitung und ausreichend Ressourcen für die Durchführung und Vermarktung.
Die steigende Anzahl an Crowdfunding-Plattformen führt zu einer Unübersichtlichkeit des Marktes, sodass eine professionelle Planung der Kampagne mit begleitender Kommunikationsarbeit erforderlich ist, sowohl um den erfolgreichen Abschluss der Kampagne nicht zu gefährden als auch um die entstehenden Marketingpotenziale zu heben.
Ergebnisse der Masterarbeit „Crowdinvesting – eine Alternative für den deutschen Mittelstand“
Aktuell führen die steigenden regulatorischen Anforderungen der Banken noch nicht zu einer rückläufigen Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen; dies könnte sich jedoch zukünftig ändern.
Durch Crowdfinanzierungen können Zusatznutzen realisiert werden, insbesondere Marketingimpulse können effektiv genutzt werden. Dies ist vor allem bei Unternehmen der Fall, deren Produkte und Dienstleistungen direkt an den Endverbraucher gerichtet sind (B2C). Bei Crowdinvesting wird zudem eine Verstärkung des Marketingnutzens durch die Erfolgsbeteiligung der Investoren vermutet.
Die weitere Etablierung von Crowdfunding wird dafür sorgen, dass zukünftig auch Mittelständler diese Alternative in ihre Finanzierungsentscheidungen einbeziehen werden. Denn durch die Diversifizierung von Finanzierungsinstrumenten können u.a. Abhängigkeiten gegenüber Kreditinstituten abgebaut werden. Wesentliche Hürde für viele Mittelständler ist der Schritt in die Öffentlichkeit, da für eine erfolgreiche Crowd-Kampagne die Investitionsvorhaben per se erläutert werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass diese Finanzierungsalternative mit zunehmenden Erfahrungswerten auch bei etablierten Unternehmen an Beliebtheit gewinnen wird.
Das vorliegende Thesenpapier basiert auf der Masterarbeit zum Thema „Crowdinvesting – Eine empirische Untersuchung dieser Finanzierungsalternative für mittelständische Unternehmen in Deutschland“, die Andreas Wessel mit Unterstützung der IR.on AG zum Abschluss seines Master Business Administration-Studiums an der Rheinischen Fachhochschule Köln derzeit erstellt.