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5. Juli 2018 – Der Abschluss des ersten Halbjahres bietet eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz zum bisherigen Verlauf des KMU-Anleihemarkts im Jahr 2018 zu ziehen. Im Dezember 2017 hatten wir bereits die Marktentwicklung des vergangenen Jahres Revue passieren lassen. Die dort veröffentlichten Schlussfolgerungen, aber vor allem der Ausblick für 2018 können nun einem ersten Realitätscheck unterzogen werden.
Als KMU-Anleihen definieren wir börsennotierte, festverzinsliche Anleihen mit 1.000er Stückelung und einem Maximalvolumen von 150 Mio. Euro. Dabei haben wir uns auf eigene Recherchen öffentlich verfügbarer Angaben sowie die Daten von Anleihen-Finder.de gestützt.
Stärkere Emissionstätigkeit als erwartet
Demnach wurden im ersten Halbjahr 2018 insgesamt 14 KMU-Anleihen von 13 Unternehmen mit einem geplanten Volumen von rund 652 Mio. Euro emittiert. Dieser Wert ist grundsätzlich erfreulich, hatten doch einige der wichtigsten Emissionsbanken in unserer Umfrage von Dezember 2017 im Durchschnitt mit 15 Emissionen für das Gesamtjahr 2018 gerechnet (ggü. 23 in 2017¹). Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass darin zwei Anleihen der börsennotierten österreichischen Immobiliengesellschaft S Immo enthalten sind, die zwar unserer oben genannten Definition entsprechen. Bei einer Markkapitalisierung von über 1 Mrd. Euro ist die Gesellschaft jedoch mit einem klassischen KMU-Emittenten schwerlich vergleichbar. Doch auch ohne S Immo: die Emissionstätigkeit dürfte am Ende des Jahres deutlich höher liegen als ursprünglich angenommen.
(Zu) Starker Fokus auf Anleihen aus der Immobilienbranche
Die derzeit hohe Immobilienaffinität des Kapitalmarkts setzte sich im ersten Halbjahr 2018 auch am KMU-Markt fort. Von den 14 platzierten Anleihen stammen über die Hälfte (8) von Emittenten (7) aus dem Immobiliensektor. Hinzu kommt ein Finanzdienstleister, der Investitionen in Energie- und Immobilienprojekte vermittelt. Der Fokus auf Immobilien ist angesichts der guten konjunkturellen wie makroökonomischen Rahmenbedingungen und des branchenüblich höheren Fremdkapitaleinsatzes wenig verwunderlich. Doch der KMU-Anleihemarkt hat in der Vergangenheit schon einmal unter einem wenig ausgewogenen Branchemix gelitten. So war die erste Ausfallwelle geprägt von Unternehmen aus der Solar- und Energie-Branche, die von kurzfristigen Änderungen der globalwirtschaftlichen und rahmenpolitischen Bedingungen erfasst wurden. Mit dem starken Fokus auf Immobilien manifestiert sich erneut eine einseitige Risikoexposition, die sich später als nachteilig erweisen könnte.
Eigenemissionen können nicht überzeugen
Ein weiterer Trend des Jahres 2017 setzt sich ebenfalls fort. Weiterhin wagen Unternehmen mit geringem Bekanntheitsgrad in Eigenemissionen den Gang an den Bondmarkt, d.h. ohne professionelle Unterstützung einer Bank oder eines Kommunikationsspezialisten. Genau lässt sich der Erfolg der zwei im ersten Halbjahr 2018 gestarteten Eigenemissionen nicht belegen. Die Tatsache, dass auch nach Handelsaufnahme an einem Börsenplatz nicht das platzierte Volumen kommuniziert wurde, spricht jedoch für sich. Auch eine im Dezember 2017 gestartete Emission zweier Anleihen schloss kürzlich ohne Nennung des abschließenden Platzierungsvolumens. Diese Vorgehensweise ist ein Widerspruch zu den (ungeschriebenen) Gesetzen des Kapitalmarkts und für Außenstehende eine Bestätigung für das Menetekel des grauen Kapitalmarkts, der Eigenemissionen anhaftet. Ob zu Recht oder zu Unrecht, fest steht: Wer langfristig den Kapitalmarkt überzeugen möchte, der sollte bei einem Debüt besser nicht den Weg einer Eigenemission wählen, da damit erhebliche Reputations- aber v.a. auch Platzierungsrisiken verbunden sind.
Umtauschangebote: Erfolg dank positivem Track Record am Kapitalmarkt
Zu den erfolgreichen Emittenten gehörten im ersten Halbjahr 2018 primär die Unternehmen, die sich am Kapitalmarkt bereits einen Namen gemacht hatten. Von den 14 Anleihemissionen kam die Hälfte (7) von bestehenden Emittenten, die mit vorgeschaltetem Umtauschangebot eine bestehende Anleihe refinanzieren wollten. Hinzu kommt die Anleiheemission der Accentro Real Estate (vormals Estavis), mit der die nachträgliche Ablösung einer ausstehenden Wandelanleihe verbunden war. Von den genannten Emissionen bediente sich nur die Eyemaxx Real Estate eines öffentlichen Angebots im Anschluss an den Umtausch. Die übrigen Emittenten kombinierten den Umtausch mit einer Privatplatzierung. Dabei konnte bei sieben der acht Refinanzierungs-Emissionen der Zinssatz gegenüber dem Vorgänger-Bond gesenkt werden – bei der Mehrzahl sogar deutlich. Hier zeigt sich, dass mit einem erfolgreichen Track Record der KMU-Anleihemarkt weiterhin aufnahmefähig ist und Unternehmen ihre Finanzierungskosten dadurch deutlich senken können.
Insgesamt konnten acht der 14 Anleihen voll platziert werden, darunter auch fünf der acht Umtausch- bzw. Refinanzierungsanleihen. Sechs Anleihen erzielten (bisher) nicht den gewünschten Erfolg. Dass sechs der acht börsengelisteten Unternehmen eine Vollplatzierung erzielen konnten, ist ein zusätzlicher Beleg dafür, dass Kapitalmarktfähigkeit und Transparenz ein wichtiges Erfolgskriterium gerade am viel gescholtenen KMU-Markt sind.
Unter den 13 Emittenten finden sich nur drei Kapitalmarktneulinge.
Börsensegment spielt keine Rolle
Insofern ist es auch kein Widerspruch, dass bei den Emissionen die Wahl des Börsensegments zunehmend an Bedeutung verliert. Jedenfalls wurden bis auf die Anleihen der börsennotierten Emittenten Ferratum und S Immo, die in den Prime-Segmenten der Börsen Frankfurt respektive Wien notieren, alle Anleihen in den allgemeinen Freiverkehrssegmenten, bevorzugt in Frankfurt, gelistet. Das Scale-Segment, das Qualitätssegment für KMU-Anleihen der Börse Frankfurt, verzeichnete keinen Neuzugang. Angesichts der vorher genannten Ergebnisse ist die Schlussfolgerung jedoch keineswegs, dass weniger Transparenz von Seiten der Investoren erwartet wird. Denn die Mehrzahl der Emittenten waren wie erwähnt Unternehmen mit vorhandenem Track Record am Kapitalmarkt.
Nur drei Neuemittenten ‑ Privatplatzierungen und Öffentliche Angebote halten sich die Waage
Die Zahl der „echten“ Neuemittenten war im ersten Halbjahr 2018 hingegen ernüchternd. Unter den 13 Emittenten finden sich nur drei Kapitalmarktneulinge. Und nur eine der drei Debüt-Anleihen wurde voll platziert. Dabei handelt es sich um die R-Logitech-Anleihe. Hier war sicherlich ein Erfolgsfaktor das Vertrauen der Investoren in das Schwesterunternehmen Metalcorp, das bereits in den Vorjahren mehrere Anleihen am KMU-Markt platziert hatte. Die beiden nicht vollplatzierten Debütanleihen waren Eigenemissionen aus der Immobilien- bzw. Energie-Branche.
Insgesamt waren sieben der 14 Emissionen reine Privatplatzierungen, die übrigen sieben Emissionen umfassten auch ein öffentliches Angebot.
Resümee: Kapitalmarkt aus Überzeugung vs. Pflichtprogramm
Das erste Halbjahr 2018 ist ein erneuter Beleg für den Wert guter Kommunikation am KMU-Bondmarkt. Als Unternehmen, das an einen Markt geht, der unter vielen Ausfällen gelitten hat, ist es unabdingbar, Informationsdefizite auf Seite der Investoren auszugleichen, Kapitalmarktfähigkeit herzustellen und Vertrauen durch eine glaubwürdige Story und ein überzeugendes Auftreten zu schaffen. Wer sich dabei – unabhängig von der Wahl des Börsensegments – stets nur auf das Pflichtprogramm beschränkt, wird langfristig – insbes. in schlechten Zeiten – nicht auf das Vertrauen der Investoren zählen können. Umgekehrt gibt es eine Vielzahl von Erfolgsbeispielen, wie Unternehmen durch eine KMU-Anleihe sich am Markt beweisen und im Anschluss mit dem Kapitalmarkt weiterwachsen konnten. Dazu gehören auch mehrere Refinanzierungen des ersten Halbjahres, bei denen einige Emittenten bestehende Anleihen durch neue Bonds erfolgreich refinanziert und dabei den Kupon deutlich gesenkt haben.
Ist einmal eine breite Investorenbasis geschaffen oder besitzt ein Unternehmen große Platzierungskraft dank Marke und Bekanntheit, kann eine Eigenemission durchaus ein gangbarer Weg sein. Aber als Neuemittent sollte dies grundsätzlich nicht das Mittel der Wahl sein. Insofern empfehlen wir KMU-Unternehmen, die einen Gang an den Bondmarkt erwägen, sich von Negativbeispielen abzugrenzen, Kapitalmarktfähigkeit herzustellen und so den Grundstein für eine erfolgreiche Emission zu legen.
Über den Erfolg einer Emission und damit auch des KMU-Anleihe-Segments insgesamt entscheiden am Ende natürlich immer die Investoren, aber je größer die Zahl guter Emittenten, desto höher das Interesse an diesem Marktsegment.
¹Im Nachgang unserer Analyse „KMU-Anleihen: Jahresrückblick 2017 und Ausblick 2018“ hatten es noch drei weitere Emissionen gegeben, wodurch sich die Gesamtzahl der Emission in 2017 auf 23 erhöhte; siehe auch unseren Blickpunkt dazu;
Dieser Artikel, verfasst von unserem Berater Florian Kirchmann, erschien in der Juli-Ausgabe des AnleihenFinder, zu der Sie hier gelangen.